Wir brauchen ein Berliner Unterstützungsmodell für Betroffene von Häuslicher Gewalt

Der Begriff „Häusliche Gewalt“ umfasst alle Formen der körperlichen, sexuellen, seelischen, sozialen und ökonomischen Gewalt, die zwischen erwachsenen Menschen stattfindet, die in einer nahen Beziehung zueinander stehen oder gestanden haben, unabhängig vom Tatort. Das sind vor allem Personen in Lebens­gemeinschaften, aber auch in anderen Verwandtschaftsbeziehungen. Die Tatorte sind oft die gemeinsame Wohnung, können auch die Arbeitsstelle, öffentliche Plätze, die Kindertagesstätte oder anderes sein. 

Das „Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung“ – kurz: Gewaltschutzgesetz (GewSchG) – wurde aufgrund einer Initiative von Frauen aus allen Fraktionen am 08.11. 2001 einstimmig im Bundes­tag verabschiedet und trat am 01.01.2002 in Kraft. Das Gewaltschutzgesetz bietet für Betroffene von häuslicher Gewalt die Möglichkeit, zivilrechtliche Schutzmaßnahmen zu beantragen, wenn sie sich entschieden haben, sich aus der Gewaltbeziehung zu lösen und ermöglicht eine vereinfachte Zuweisung der gemeinsamen Wohnung.
Die Zuweisung der Wohnung wird zeitlich befristet bis 6 Monate, wenn beide Eigentümer oder Mieter der Wohnung sind. Ist das Opfer alleinige Mieterin oder Eigentümerin der Wohnung, kann auch eine unbefristete Zuweisung der Wohnung erfolgen. Voraussetzung für den Anspruch auf Wohnungsüberlassung ist, dass die verletzte Person innerhalb von 3 Monaten nach der Tat den Antrag stellt.

Dabei wird der Gewalttäter u.a. zum Verlassen der Wohnung und der unmittelbaren Umgebung verpflichtet, muss den Wohnungsschlüssel abgeben und bekommt ein Kontakt- und Näherungsverbot auferlegt. Die polizeiliche Anordnungen sind in der Regel auf wenige Wochen befristet.

Um nach Ablauf dieser befristeten polizeilichen Maßnahmen die Gefährdungslage nicht wieder aufleben zu lassen, ist es anschließend wichtig, den Schutz- und Ruhezeitraum durch einen Antrag auf einstweilige Anordnungen nach §§ 1 und 2 GewSchG beim Familiengericht zu verlängern. Auch diese Anordnungen werden in der Regel befristet erlassen, umfassen aber in den meisten Fällen einen Zeitraum von etwa sechs Monaten.

Die Frist richtet sich nach der voraussichtlichen Zeitspanne, die die Geschädigte benötigt, um auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eigenen angemessenen Wohnraum zu finden.

Ist das Opfer allein oder zusammen mit einem oder einer Dritten Eigentümerin, Mieterin oder sonst berechtigt zur Nutzung, wirkt die gerichtliche Anordnung zur Überlassung der Wohnung endgültig. Eine Befristung ist nicht vorgesehen.

Das Gericht kann das Opfer verpflichten, dem Täter eine Nutzungsvergütung zu zahlen, sofern dies der „Billigkeit“ entspricht, §2 Abs.5 GewSchG.

Eine derartige Anordnung kommt aber grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn dem Täter eine (Mit-) Berechtigung an der Wohnung zusteht, die er aufgrund der Überlassung an das Opfer jetzt nicht mehr ausnutzen kann, aber gleichwohl auf Grund der (Mit-) Berechtigung weiterhin verpflichtet ist, Kosten für die Wohnung zu tragen. z.B. Miete, Verbrauchskosten, öffentliche Steuern und Abgaben usw. 

Werden Aufwendungen des Täters für die Wohnung bereits beim Trennungsunterhalt für das Opfer durch Abzug beim Täter berücksichtigt, bleibt für einen Anspruch auf Nutzungsvergütung keinen Raum. 

Beratungsstellen und Hilfesystem für Betroffenen von Häuslicher Gewalt

Wichtig ist in der Phase der Trennung der Betroffenen vom Partner die fachliche parteiliche Beratung. Sie kann Wege zur psychosozialen und falls nötig finanziellen Unterstützung aufzeigen. Sofern die betroffene Frau es wünscht, kann sich eine Beraterin einer Hilfeeinrichtung zeitnah mit ihr in Verbindung setzten und Hilfe anbieten. Die sogenannte Erstberatung hat eine Lotsenfunktion und erleichtert den Zugang zu weiteren Hilfe­ und Unterstützungsangeboten bei Häuslicher Gewalt in Berlin. Dieses koordinierte Vorgehen steigert das Sicherheitsgefühl und die Handlungs­fähigkeit der Betroffenen und verbessert den Schutz vor weiterer Gewalt. Die Beratungsstelle eröffnet die Möglichkeit, während der kurzen Zeitspanne, in der der Täter durch die polizeiliche Wegweisung keinen Zutritt zur Wohnung hat, sich beraten zu lassen und Informationen über verschiedene Schutzmöglichkeiten wie z.B.. die Zuflucht im Frauenhaus oder ihre Rechte nach dem Gewaltschutzgesetz zu erhalten. Das Stellen eines Antrags auf zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten nach dem Gewaltschutzgesetz – wie z.B.. Wohnungsüberlassung und Kontaktverbot – mit all den den damit verbundenen praktischen Fragen wird so für die Betroffenen erleichtert.

Adäquater Ersatzraum (Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen für Frauen)

Um einen Gewaltschutz der von Partnergewalt betroffenen Person auch nach Beendigung der Nutzungsfrist der gemeinsamen Wohnung zu gewährleisten, sollte ein adäquater Ersatzraum (in ASOG-Einrichtungen, Frauenhäuser, betreutes Wohnen) sichergestellt werden.

Gerade die Wohnungssuche nach Beendigung der Nutzungsfrist ist ein entscheidendes Problem bei dem Weg aus der Gewaltspirale. Die Frauen können sich nicht trennen, wenn sie keine Chance sehen, irgendwo einen adäquaten Ersatzraum zu finden.

Das Frauenhaus ist zunächst ein sicherer Ort mit geheimer Adresse. Der Notruf eines Frauenhauses ist rund um die Uhr er­reichbar. Die Frauen bekommen dort umfassende professionelle Beratung über ihre Rechte und die bestehenden Schutz­ und Unterstützungsmöglichkeiten. Während des Frauenhausaufenthaltes kann die Frau – unterstützt durch die Beraterin – in einem geschützten Rahmen überlegen, ob sie tatsächlich in die ehemals mit dem Täter gemeinsam genutzte Wohnung zurückkehren möchte und dann ggf. innerhalb der gesetzlich vorgegebene Frist von 3 Monaten (§2 Gew­ SchG) bzw. 6 Monaten ( § 1361 BGB) die Rückkehrabsicht gegenüber dem Täter geltend machen. Möchte die Frau nicht in die Wohnung zurückkehren, die ja auch Tatort war und stark verknüpft ist mit belastenden Erinnerungen, kann sie mit Unterstützung der Beraterin des Frauenhauses eine neue Wohnung suchen bzw. eine Sozialwoh­nung mit geheimer Adresse (Auskunftssperre) beantragen, damit sie künftig für den Misshandler nicht auffindbar und somit endlich in Sicherheit ist. 

Doch die Kapazitäten in den Frauenhäusern reichen bei weitem nicht aus bei der Unterbringung. So wurden 2017 insgesamt 40 Frauen und 29 Kinder im Frauenhaus aufgenommen. Aufgrund der geringen Kapazität konnten sogar 41 Frauen und 74 Kinder trotz Bedarf nicht im Haus untergebracht werden. Das zeigt, dass wesentlich mehr Frauenhäuser im Land Berlin nötig sind.

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