Ein Recht auf befristete Teilzeit für alle! Brückenteilzeit Gesetz für alle!

Teilzeitbeschäftigung

14 Millionen Menschen, das ist ein Drittel aller abhängig Beschäftigten, arbeiten in Deutschland nach Angaben der BAuA aus dem Jahr 2016 in Teilzeit, vier von fünf der Teilzeitbeschäftigten, insgesamt 11 Millionen, sind Frauen. Das sind fast 60 % aller weiblichen Erwerbstätigen. Viele Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte wünschen sich andere Arbeitszeiten: 55 % der Vollzeitbeschäftigten möchten gerne ihre Arbeitszeit reduzieren, 35 % der Teilzeitbeschäftigten würden gerne länger arbeiten. 24 % der Teilzeitbeschäftigten arbeiten nur deshalb in Teilzeit, weil sie keine Beschäftigung in Vollzeit gefunden haben. Von der Mehrheit der Frauen und Männer, die in Teilzeit arbeiten, wird diese Arbeitszeitoption in bestimmten Lebensphasen für Familienarbeit, Weiterbildung oder Ehrenamt gewählt, sie ist als Dauerzustand aber meistens nicht gewünscht.

Brückenteilzeitgesetz §9a TzBfG

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren wollen, wird ein neues Recht auf befristete Teilzeit, die sog. Brückenteilzeit, eingeführt, wenn auch in einer Ausgestaltung, die viele Beschäftigten außen vor lässt.

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass mit dem §9 a TzBfG die Notwendigkeit der Ver- besserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Teilzeitbeschäftigte, die ihre Arbeitszeit verlängern bzw. aufstocken wollen, erkannt und mit der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen ersten Schritt gemacht wurde. Entsprechend dem vorliegenden Entwurf hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer, die/der den Wunsch hat, die Arbeitszeit aufzustocken, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn er kann darlegen und beweisen, dass es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt, die Teilzeitkraft nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein/e andere/r Mit- bewerber/in oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer oder dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

Dass ein Großteil der Beschäftigten jedoch aufgrund der diversen Schwellenwerte von dem neuen Gestaltungsrecht ausgeschlossen wird, ist als sozialpolitisch verfehlt und gegenüber den betroffenen Beschäftigtengruppen als nicht vermittelbar anzusehen. Mit der Einführung eines höheren, willkürlich gewählten Schwellenwertes innerhalb eines Ge- setzes, das bereits korrespondierende Ansprüche mit anderen Schwellenwerten vorsieht, besteht zudem die Gefahr, Arbeitnehmerrechte weiter einzuschränken und zukünftig auch die Schwellenwerte für andere Ansprüche oder Schutzrechte zu erhöhen.

Aufgrund dieser Kritikpunkte ist die Weiterentwicklung des §9a TzBfG-E notwendig:

Die Begrenzung des Rechts auf Brückenteilzeit auf Arbeitgeber mit idR mehr als 45 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und die Quotierung dieses Rechts mittels „Zumutbarkeitsquote“ bei Arbeitgebern mit 46 bis 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist kritisch zu sehen: Die Schwellenwerte führen dazu, dass auch künftig ein erheblicher Teil der Beschäftigten (in Unternehmen unter 46 Beschäftigten) nicht von den geplanten Neuregelungen profitieren kann. Die Einschränkungen sind insbesondere gleichstellungspolitisch problematisch. Frauen arbeiten überproportional oft in kleinen und mittleren Unternehmen, die meisten werden also das Recht auf befristete Reduzierung der Arbeitszeit nicht in Anspruch nehmen können. Zieht man überdies in Betracht, dass Frauen ihre Arbeitszeiten nach wie vor viel häufiger als Männer an familienbedingte Anforderungen anpassen, ist davon auszugehen, das mehr als zwei Drittel der weiblichen Beschäftigten das Recht auf befristete Teilzeit auch in Zukunft nicht in Anspruch nehmen können. Viele Frauen werden auch künftig auf die zeitlich unbefristete Reduzierung ihrer Arbeitszeit zurückgreifen müssen und mit allen aus der „Teilzeitfalle“ resultierenden Nachteilen und Risiken konfrontiert sein.

Die Vereinheitlichung des Schwellenwerts nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) von mehr als 15 Beschäftigten ermöglicht einer größeren Zahl von Frauen bzw. Männern, die Arbeitszeit an die Anforderungen des eigenen Lebens besser
anzupassen und sorgt so für mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Anspruch auf Brückenteilzeit nicht an diese Beschäftigtenzahl anknüpft. Zumal es auch keinen Anknüpfungspunkt an andere bestehende Kleinbetriebsklauseln im Arbeitsrecht mit im Regelfall fünf, zehn oder 15 Beschäftigten gibt. Die Grenze sollte daher auch für den Anspruch auf befristete Brückenteilzeit auf nicht mehr als 15 Beschäftigte abgesenkt werden.

Ebenfalls kritisch ist zu betrachten, dass in Unternehmen mit 46 bis 200 Beschäftigten nur einer von fünfzehn die Brückenteilzeit geltend machen kann, und Arbeitgeber unter Berufung auf betriebliche Gründe jeden Reduzierungswunsch grundsätzlich ablehnen können. Für die zeitlich unbegrenzte Reduzierung der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG) gilt, dass der Arbeitgeber dem Antrag stattgeben muss, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese Regelung könnte durch einen entsprechenden Verweis in § 9a TzBfG-E auch für die Regelung der Brückenteilzeit zur Anwendung kommen. Stattdessen regelt § 9a TzbfG-E ein ausdrückliches Recht der Arbeitgeber, den Antrag auf Reduzie- rung der Arbeitszeit abzulehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen. Aus einer Ausnahme wird also nun die Regel mit einer Signalwirkung, die nicht zu unterschätzen ist: Es droht, dass dieses „Ablehnungsrecht“ in der Praxis allzu bereitwillig genutzt und Beschäftigten das Recht auf befristete Teilzeit vorenthalten wird. Dieser doppelte „Überforderungsschutz“ für mittlere Unternehmen ist nicht zu rechtfertigen und widerspricht den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, wonach in Unternehmen zwischen 46 und 200 Beschäftigten „einem pro angefangene 15 Arbeitnehmer der Anspruch gewährt werden (muss)“, ohne dass es auf das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe an- kommt. Konkret sieht der § 9a Abs. 2 S. 1 TzBfG-E vor, dass der Arbeitgeber – auch ein solcher mit 46 bis 200 Beschäftigten – unter Berufung auf betriebliche Gründe zunächst jeden Reduzierungsantrag ablehnen kann. Damit kann der Arbeitgeber auch dann, wenn die Quote noch nicht erreicht wurde, verhindern, dass Arbeitnehmer/innen befristete Teilzeit beanspruchen können. Erst wenn die betrieblichen Gründe nicht vorliegen (es also eigentlich keinen tragfähigen Ablehnungsgrund gibt), kann der mittelgroße Arbeitgeber gewissermaßen als zweite Schranke des „Überforderungsschutzes“ auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Zumutbarkeitsquote“ zurückgreifen. Eine unnötige Doppelung des „Überforderungsschutzes“ für Arbeitgeber mit 46 bis 200 Beschäftigten wird deren Rechte noch weiter einschränken als es die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Zumutbar- keitsquote ohnehin schon tut. Es droht, dass auch Beschäftigte in Unternehmen mit 46 bis 200 Arbeitnehmern/innen vom Recht auf befristete Teilzeit grundsätzlich ausgeschlossen werden. Auch aus diesem Grund ist Satz 1 des § 9a Abs. 2 TzBfG-E zu streichen. Arbeitgeber mit bis zu 200 Beschäftigten könnten dann zum Schutz vor angeblichen Überforderungen auf die „Zumutbarkeitsquote“ zurückgreifen, Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten die eventuell vorliegenden betrieblichen Gründe anführen.

Kritisch zu bewerten sind auch die starren zeitlichen Schranken hinsichtlich der Dau- er der Inanspruchnahme von Brückenteilzeit, Die Beantragung der Brückenteilzeit sollte auch für unterjährige und längere als Fünfjahreszeiträume grundsätzlich nicht ausge- schlossen sein. Nach dem Brückenteilzeitgesetz muss die Dauer der beantragten Redu- zierung nun zwischen einem Jahr und fünf Jahren betragen. Damit wird die Möglichkeit von unterjährigen oder mehr als fünfjährigen Reduzierungen auch dann ausgeschlossen, wenn es für die Ablehnung keine Gründe gibt.

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