In den Medien gibt es immer wieder die Diskussion zur Bildung von Parallelgesellschaften. Doch was sind Parallelgesellschaften? Wann spricht man von einer Gesellschaft, die es parallel zu einer anderen Gesellschaft gibt? Und warum bilden sich Parallelgesellschaften?
Es ist ein allgemein bekanntes Phänomen, dass Migrant:innen aus unterschiedlichen kulturellen Gründen dazu neigen, ihre eigenen Landsleute zu treffen. Zum Beispiel besuchen Deutsche in den USA in Columbus das deutsche Viertel, um echten deutschen Kuchen zu essen. Ähnlich verhält es sich in Berliner Vierteln, in denen sich Migrant:innen in Lokalen, Parks und öffentlichen Raum zusammentreffen, um in ihrer Sprache zu sprechen und Zeit zu verbringen. Die auf diese Weise entstandene Milieus haben nicht mit Parallelgesellschaften zu tun. Denn trotz der Pflege eigener Sitten und Gebräuche halten sich die Milieus an die Werte des jeweiligen Landes.
Erst wenn eine Gruppe von Migrant:innen mit anderen fundamentalen Werten als denen im Westen geltenden auftritt, dann gewinnt diese Milieubildung den Charakter einer Parallelgesellschaft. Diese Gesellschaft versteht sich als eine Alternative zur vorhandenen Gesellschaft. Auch die Konfliktlösung innerhalb der Gemeinde kann anderen Kriterien als den staatlichen unterliegen und wird daher mehr oder weniger eigenständig geregelt. In diesem Fall spricht man sogar von einer Paralleljustiz.
Während die Gastarbeiter:innen mit offenen Armen und offiziellen Anwerbeverträgen ins Land geholt wurden, wurden die Libanon-Flüchtlinge klar und explizit ausgegrenzt.
Die Ausländer:innen waren zwar in Deutschland unerwünscht, jedoch nicht ihre Arbeitskraft. Die Arbeitskräfte wurden auf Zeit angeworben, ihr Aufenthalt sollte aber keinesfalls verfestigt werden. Denn mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 spitzte sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu. Für fünfhunderttausend offene Stellen standen nur hundertfünfzigtausend Arbeitslose zur Verfügung. Daher wurde ein Anwerbeabkommen mit der Türkei rasch vereinbart, mit anderen Ländern sollten weitere erfolgen.
Die deutsche Bevölkerung wurde beruhigt, so dass die Anwerbeabkommen verharmlost wurden und die Wirtschaft von einer sogenannten Rotationspolitik sprach: Die Gastarbeiter:innen sollten jährlich rotieren und nicht im Land bleiben. Die Wirtschaft konnte aber nicht ihr Wort halten: Aus Kostengründen war die ständige Anlehnung neuer Arbeitskräfte teuer. Sie drang stattdessen darauf, den Aufenthalt der Gastarbeiter:innen zu verlängern, was auch durchgesetzt wurde. Auch die Anwerbung der Ehepartner:innen der Gastarbeiter:innen wurde von der Wirtschaft gefördert. Mit den Ehepartner:innen kamen die Kinder und weitere Kinder wurden gezeugt. So trafen in Deutschland innerhalb einer Dekade vier Millionen Menschen ein, aber niemand dachte an ihre Integration.
Wenn wir uns den aktuellen Status in 1962 anschauen, dann stellen wir fest, dass 1962 ca. 90 Prozent der Gastarbeiter:innen junge Männer im Alter zwischen zwanzig und vierzig Jahren waren.
Zwei Drittel der Gastarbeiter:innen lebten in Gemeinschaftsunterkünften. Mit dem Zuzug ihrer Familien verließen sie die Gemeinschaftsunterkünfte und begannen Ghettos zu bilden. Mit dem Zuzug der Familien ging auch die Beschäftigungsquote von 80 Prozent auf 65 Prozent zurück. Denn immer mehr nahmen jetzt Sozialleistungen in Anspruch.
Am 23. November 1973 kam die Phase der Gastarbeiter:innenanwerbung zu ihrem Ende. Und man erwartete, dass die Gäste nach Hause gingen. Aber das taten sie nicht.
Die Gastarbeiter:innen holten vorsorglich ihre Familien zu sich. Doch Ende 1974 reagierte die Arbeitsverwaltung darauf mit einem Ausbildungsverbot für die zugezogenen Jugendlichen, indem sie ihnen untersagte, ihnen die notwendige besondere Arbeitserlaubnis zu erteilen. Das legte den Grundstein für die Misere der zweiten Generation.
Die Abwehrpolitik scheiterte und erreichte genau das Gegenteil: Von 1973 bis 1983 stieg die Zahl der Ausländer:innen von 3,9 auf 4,6 Millionen. Die Erwerbsquote sank aber von 65 Prozent auf 37 Prozent.
Seit dem Anwerbestopp begannen immer mehr Menschen den Asylweg für den Zugang in die Bundesrepublik Deutschland zu wählen. Durch das Arbeitsverbot ab 1980 belasteten die Asylbewerber:innen die öffentlichen Kassen. Die öffentliche Stimmung gegen Ausländer:innen wurde immer bedrohlicher. Die Fremdenfeindlichkeit nahm mit der deutschen Wiedervereinigung enorm zu und es kam häufiger zu Gewalt. Parallel zum Anstieg der Fremdenfeindlichkeit solidarisieret sich ein Teil der Bevölkerung mit den Betroffenen. Sie wollten das Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft verteidigen.
Multikulti breitete sich quer durch alle Parteien und gab immer stärker den Ton an. Das Motto lautete „Integration durch Partizipation.“
Die Gastarbeiter:innen verwandelten sich von rotierenden Arbeitskräften zu Einwander:innen. Sie waren nicht mehr bereit, Diskriminierung und Benachteiligung hinzunehmen. Sie suchten nach Integration und Gleichbehandlung mit den Einheimischen.
Zu den Integrierbaren gehörte die zweite Generation. Anders als ihre Eltern waren die Migrant:innenkinder hier geboren, waren aber in der Heimat der Eltern Fremde und genossen in unterschiedlichem Maß eine deutsche Sozialisation. Sie waren nicht bereit die Ausgrenzung akzeptieren. Deutschland war de facto ihre Heimat, sie machten sich auf die Suche nach ihrer Identität….
In dem nächsten Blogartikel erfahrt ihr mehr, wie die neue Identität zustande kam und noch mehr über die Clanbildung und ihre Folgen für die Gesellschaft.